Tumor­behandlung: Revolution kommt aus Pinneberg

Ein kleines Molekül mit großer Wirkung: 5-Aminolävilinsäure, kurz ALA genannt und als körpereigene Aminosäure bekannt. Sie ist im weiteren Sinne am Blutstoffwechsel beteiligt. Mit dem Einsatz eines selbst entwickelten, synthetisch hergestellten ALA-Moleküls als Vorstufe einer Substanz für die  photodynamische Diagnostik und Therapie revolutioniert das in Pinneberg ansässige Pharmaunternehmen Photonamic die Tumorerkennung und -behandlung rund um den Globus. Weitere Anwendungsmöglichkeiten für ALA liegen in der Kosmetik und in der Nahrungsmittelergänzung. „ALA“, so schwärmt Geschäftsführer und Molekularbiologe Ulrich Kosciessa, „ist ein faszinierendes Molekül mit annähernd endlosem Potenzial.“

Moderne, durch viel Glas offen gestaltete Geschäftsräume - hier der Eingangsbereich - sind der Arbeitsplatz des Photonamic-Teams. Foto: Photonamic

Idealer Unternehmensstandort in der Parkstadt Eggerstedt

In der Parkstadt Eggerstedt, dem ehemaligen Gelände der Eggerstedt-Kaserne in Pinneberg, bietet die Stadt Pinneberg mit Unterstützung der WEP Gewerbeflächen vornehmlich für die Branchen IT, Medizin- und Biotechnologie, Green Energy, passende Dienstleistungen und die Wohnumgebung nicht störende Gewerbebetriebe an.

Die Photonamic GmbH, 2002 als Tochterunternehmen der medac GmbH in Wedel gegründet und 2016 durch die SBI Holding Tokio komplett übernommen, hat ihren Sitz seit 2018 in der Parkstadt Eggerstedt.

"Wir fühlen uns an diesem verkehrsgünstig gelegenen und von Grün umgebenen Standort sehr wohl", betont Kosciessa, der seit medac-Zeiten die ALA-Entwicklungen verantwortet. „Zwei unserer Mitarbeiter genießen sogar noch einen besonderen Vorteil. Sie kommen aus unserer Muttergesellschaft in Japan und finden hier in der Region eine rege japanische Community vor. Die Kinder des einen Mitarbeiters besuchen die japanische Schule in Halstenbek."

Als forschungs- und entwicklungsorientiertes Unternehmen beschäftigt sich Photonamic mit seinen dreißig Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit dem Effekt von Licht auf bestimmte Moleküle, explizit auf ALA, um neue photodynamische Verfahren für die Bekämpfung von unter anderem Krebserkrankungen anbieten zu können. Durch die internationale Kooperation mit der Muttergesellschaft, Schwesterfirmen und Partnerunternehmen ist Photonamic ein vorbildliches Beispiel für Wissens- und Technologietransfer zugunsten des wissenschaftlichen Fortschritts in der Medizin- und Biotechnologie.

Geschäftsführer und Molekularbiologe Dr. Ulrich Kosciessa leitet die Geschicke der Photonamic seit Beginn an. Foto: Photonamic

ALA und Blaulicht macht Tumor für Operateure komplett sichtbar

Wenn Chirurgen im Gegensatz zu früher Gehirntumore während der Operation in komplettem Umfang sehen und dadurch präzise entfernen können, dann ist es dem bislang konkurrenzlosen Medikament Gliolan® von Photonamic zu verdanken. Seit seiner Zulassung, 2007 in Europa, nachfolgend weltweit in mehr als 40 Ländern, konnte damit bereits über 100.000 erwachsenen Patienten mit malignem Gliom, einer bestimmten Art von Hirntumor, geholfen werden.

Und so funktioniert es: Gliolan-Pulver wird in Wasser aufgelöst und dem Patienten vor der OP zu trinken gegeben. Der Wirkstoff ALA wird von den Körperzellen aufgenommen und insbesondere in Krebszellen in eine fluoreszierende Substanz umgewandelt, vor allem in Protoporphyrin, kurz PPIX. Die Krebszellen sind dadurch quasi markiert. Werden sie durch ein spezielles OP-Mikroskop mit Blaulicht einer bestimmten Wellenlänge bestrahlt, so leuchtet das PPIX im Tumor pinkfarben, das gesunde Gewebe hingegen blau.

Abb. Photonamic

Mit ALA und Rotlicht gegen inoperable Gehirntumore

Für die Entfernung inoperabler Hirntumore hat Photonamic eine minimalinvasive Methode in der Entwicklung, die zurzeit in einer Studie erprobt wird. Durch kleine Löcher in der Schädeldecke werden dem Patienten, dem zuvor die Gliolan-Lösung verabreicht wurde, Lichtnadeln in das betroffene Gehirnareal geschoben. Die Lichtnadeln - je nach Tumorgröße können das bis zu acht Nadeln sein - werden individuell nach computergestützter Berechnung positioniert, so dass der Tumor schließlich mit Laser-Rotlicht bestrahlt werden kann. Das aus ALA entstandene PPIX in den Tumorzellen wird dadurch angeregt und es werden Sauerstoffradikale gebildet, die die Zelle zerstören. „Die besondere Herausforderung dabei ist es, die Temperatur zu kontrollieren und unter 40 Grad zu halten“, betont Kosciessa.

 

Alles steril: In diesem OP setzen die Chirurgen einem Gehirntumorpatienten die Lichtnadeln, die den Tumor mit Rotlicht bestrahlen und helfen, die Tumorzellen zu zerstören. Foto: Photonamic

Mit Pflaster und Rotlicht eine Vorstufe von Hautkrebs bekämpfen

Ein zweites Produkt der Photonamic ist das 2009 auf den Markt gebrachte Alacare®, ein ALA-haltiges Pflaster zur Behandlung der Aktinischen Keratose. Diese Hautveränderung, verursacht durch UV-Licht, gilt als Vorstufe der zweithäufigsten Form von Hautkrebs, dem Stachelzellkrebs. Zur Behandlung wird das Pflaster auf die kleine, raue Hautstelle appliziert und nach vier Stunden entfernt. Es folgt eine Bestrahlung mit Rotlicht. Diese einmalige Therapie ist nicht nur wirksam, sondern erzielt gegenüber anderen Therapieoptionen hervorragende kosmetische Ergebnisse.

Forschung und Entwicklung arbeitet an weiteren ALA-Produkten

Derzeit arbeitet das Photonamic-Team an dem Einsatz von ALA und Blaulicht bei Operationen weiterer Krebsarten. Brustkrebspatientinnen können nach Abschluss von Studien in Kanada und den USA auf die Zulassung eines Medikamentes in drei Jahren hoffen. „Unser Ziel ist es, alle zwei Jahre für eine andere Krebsart ein Medikament im Bedarfsfall zusammen mit immer kleineren passenden Lichtquellen zu entwickeln“, erklärt Kosciessa.

Zur Krebsfrüherkennung und als Nachkontrolle für Behandelte soll innerhalb der kommenden sieben Jahre ein innovativer ALA-Eisen basierter Urintest zur Verfügung stehen. Das Besondere: Er wird unter Nutzung des technischen Know-hows des Münchener Tochterunternehmens Ferro Sens mit einem speziellen spektroskopischen Screening-Verfahren durchgeführt. Erste Tests versprechen einen hohen Genauigkeitsgrad.

In die Erforschung und Entwicklung neuer Medikamente und Verfahren werden jährlich siebenstellige Beträge investiert.

Immunstimulierende Nahrungsergänzung für Covid-19-Patienten

Photonamic ist jedoch nicht nur im medizinischen Bereich tätig. Mit der neu gegründeten Firma SBI ALA Promo betreten die ALA-Experten die Welt der Naturkosmetik und der Nahrungsergänzungsmittel.

Entwickelt werden soll eine eigene ALA-Eisen basierte Kosmetiklinie. „Als Testballon für das Naturkosmetiksegment vertreiben wir über unseren Online-Shop Junavida Produkte zur Verjüngung von einem kanadischen Partnerunternehmen“, erzählt Kosciessa. Hier kommt allerdings nicht ALA zum Einsatz, sondern Substanzen und Inhaltsstoffe aus Hafer.

Als Healthy Food wird ein japanischer brauner Reis importiert. Durch das Vorkeimen in Wasser mit ALA erhöht sich der Anteil zweier Inhaltsstoffe, denen in der Fachliteratur eine Blutfett senkende Wirkung zugeschrieben wird. Das Projekt läuft gut an. Deshalb ist auch geplant, eine getrocknete Reisvariante für die Gastronomie anzubieten.

Auf der Basis eines derzeit nur in Japan erhältlichen Nahrungsergänzungsmittels, das ALA in Kombination mit Eisen in einer speziellen Form enthält, ist gemeinsam mit SBI in Tokio ein Nahrungsergänzungsmittel entwickelt worden, das einen vielversprechenden immunstimulatorischen Effekt bei Virusinfektionen aufweist. „Erste Studienergebnisse in Bahrain scheinen anzudeuten, dass unter kontrollierten Bedingungen die Genesung von Covid-19-Patienten beschleunigt werden könnte. In zwei bis drei Jahren werden wir bei optimalem Verlauf der Entwicklung und Bestätigung der Daten damit auf den Markt kommen“, verkündet der Photonamic-Chef begeistert.  

Weitere Information

Photonamic GmbH & Co. KG
Eggerstedter Weg 12
25421 Pinneberg
Telefon: (04101) 7 85 39 09
E-Mail: info@photonamic.de
Internet: www.photonamic.de

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