„Die Spezialisierung wird zunehmen“
Wie alle Wirtschaftsbereiche, so leidet auch das KFZ-Handwerk unter den Folgen der Corona-Pandemie und des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine. Zusätzlich bremst der Fachkräftemangel die Betriebe aus. Die Umstellung auf Elektro-Fahrzeuge ist eine weitere Herausforderung. Einen näheren Einblick in die aktuelle Lage im KFZ-Handwerk gibt Sascha Libansky, Obermeister der KFZ-Innung des Kreises Pinneberg und Vorstandsmitglied der Kreishandwerkerschaft Westholstein, dem WEP REPORT.
Libansky betreibt im äußersten Nordwesten des Kreises Pinneberg, in Westerhorn, eine freie KFZ-Werkstatt und eine Tankstelle mit Waschanlage. Beides hat Libansky 2012 von seinem Vater übernommen. Heute beschäftigt er vier Gesellen und drei Auszubildende in seiner Werkstatt sowie drei Vollzeit- und elf Teilzeitkräfte in der Tankstelle. In der Werkstatt sind alle Fahrzeugmarken willkommen. Ein Faible hat Libansky für Young und Oldtimer, ganz besonders für seinen eigenen stattlichen Plymouth Fury aus dem Jahr 1962.
WEP REPORT: Herr Libansky, die KFZ-Werkstätten müssen sich mit gleich vier Problemen herumschlagen. Wie groß ist die Demotivation?
Libansky: Ich denke nicht, dass man von Demotivation reden kann. Vielmehr mobilisieren die Betriebe all ihre Kräfte und gehen die Herausforderungen kreativ und flexibel an. Natürlich ist das anstrengend, aber wir wollen unsere Kunden ja auch weiterhin bestmöglich zufriedenstellen. Außerdem haben wir, was die Auftragslage angeht, keinen Grund zu klagen.
Wie stellt sich die Lage denn dar?
Na ja, wir verzeichnen ein großes Auftragsplus und fahren Volllast. Die Vorlaufzeiten, also der Zeitraum zwischen Auftragserteilung und Arbeitsbeginn, liegen zurzeit bei drei bis vier Wochen.
Wie erklären Sie sich diese Entwicklung trotz der Inflation und der steigenden Preise?
Das begann schon während der Corona-Lockdowns. Viele Leute waren und sind auch noch im Homeoffice tätig und brauchen ihre Autos kaum. Das ist die Gelegenheit, die Fahrzeuge ohne zeitlichen Stress warten und reparieren zu lassen. Ein weiterer Grund liegt darin, dass die Wagen länger gefahren werden, weil neue Modelle und auch Vorführ- und Gebrauchtfahrzeuge kaum zu haben sind. Selbst der Transporter-Nachschub für Handwerker fehlt. Das führt natürlich zu mehr Werkstattbesuchen, schließlich will niemand ein Risiko eingehen und TÜV, Wartungen oder Reparaturen verschleppen. Und was die Teuerung angeht – die meisten Kunden haben dafür Verständnis, weil wir mit ihnen ganz offen darüber sprechen und die Kosten plausibel erklären können.
In welchem Bereich liegen die Preissprünge?
Im Schnitt fallen die Rechnungen der Werkstätten fünf bis sieben Prozent höher aus. Motoröl ist zum Beispiel bis zu zehn Prozent teurer. Ersatzteile sind unterschiedlich, aber allesamt teurer geworden. Bei den Frachtkosten verzeichnen wir ein Plus von 30 Prozent. Wir haben in unserer Werkstatt noch rechtzeitig gängiges Material auf Vorrat geordert und konnten damit eine gewisse Preisstabilität erreichen.
Die Kunden werden ja nicht nur mit höheren Preisen, sondern auch mit ungewohnten Wartezeiten für benötigte Teile konfrontiert, oder?
Das ist richtig, die Lieferketten haben immer wieder irgendwo Lücken. Auch darüber muss man offen und mehr reden, dann haben die meisten, vor allem die Stammkunden, Verständnis. Die Betriebe zeigen ihnen auch, dass sie sich sehr um Schadensbegrenzung bemühen. Von unseren Monteuren arbeitet zum Beispiel jeder an zwei Hebebühnen parallel. So verlieren wir durch das Warten auf Teile weniger Zeit, denn an einem der beiden Fahrzeuge kann in der Regel immer weitergearbeitet werden.
Welche Teile sind besonders schwer zu bekommen?
Das ist unterschiedlich. Der Großhandel liefert den Werkstätten regelmäßig Rückstandslisten. Darin können wir sehen, was fehlt und wann voraussichtlich was geliefert werden kann. Ständig große Materialdefizite gibt es jedoch bei den elektronischen Teilen. Platinen, Steuergeräte, elektrische Bauteile für das Motormanagement, selbst Radios – alles ist knapp. Aber auch Scheiben haben eine Lieferzeit von bis zu drei Monaten.
Die Energiekosten steigen rasant. Was bedeutet das für die Werkstätten?
Als Betrieb hat man zwar längerfristige Versorgerverträge, aber auch die werden teurer. Wie alle müssen wir Energie einsparen. Bei uns geht es vor allem um den Stromverbrauch, denn eine Werkstatt arbeitet mit viel elektrischem Gerät – von den Hebebühnen bis hin zu den Akku-Werkzeugen. Besonders Druckluftgeräte verbrauchen viel Strom, deshalb setzen wir sie in meinem Betrieb so effizient wie nur möglich ein. Ein Kostenfaktor ist auch die helle Beleuchtung. Die haben wir deshalb auf die günstigere LED-Technik umgestellt.
Und wie sieht es an Ihrer Tankstelle aus?
Die Kraftstoffversorgung klappt bis jetzt. Corona führte durch das Homeoffice und generell verstärkter Nutzung von digitalen Medien zu weniger Fahrten und einem geringeren Absatz. Und wir hatten erwartet, dass nun durch die stark gestiegenen Kraftstoffpreise noch einmal weniger gefahren würde, aber das war nur anfangs so. Die Autofahrer schimpfen zwar, doch von einer Einschränkung merken wir inzwischen nichts mehr. Sogar die Brötchen werden von der Tankstelle wieder per Auto geholt.
Um die CO2-Einsparziele zu erreichen, sind Verbraucher angehalten, auf Elektrofahrzeuge umzusteigen. Was bedeuten E-Autos für die Werkstätten?
Es sieht nicht nach dem staatlicherseits gewünschten, superschnellen Komplettumstieg aus, auch wenn die E-Autos, vor allem die Hybridfahrzeuge, merkbar zulegen. Es hapert noch an der Ladeinfrastruktur und auch der Produktion von E-Fahrzeugen. Außerdem stellt sich die Frage, ob und wie ein sehr viel höherer Strombedarf gedeckt werden kann, noch dazu klimafreundlich. Insofern haben die KFZ-Werkstätten etwas Luft, sich auf die E-Fahrzeuge vorzubereiten. Das ist gut, denn die Umstellung kostet Zeit und Geld. Ein paar Beispiele: Mechaniker brauchen eine zertifizierte Zusatzausbildung für Hochvolt-Arbeiten an Gleichstromanlagen. Die separat einzurichtenden Arbeitsplätze müssen mindestens 1,50 Meter Abstand zu den herkömmlichen Arbeitsplätzen haben und mit neuem Werkzeug ausgestattet sein, das für 1000 Volt zugelassen ist. Auch spezielle Löschdecken müssen angeschafft werden, denn E-Autos sind schwer löschbar. Ebenfalls aus Brandschutzgründen dürfen E-Autos und herkömmliche Fahrzeuge auf dem Betriebsgelände nicht gemeinsam geparkt werden, man braucht also mehr Parkfläche.
Das klingt wirklich aufwendig. Können sich das alle Werkstätten leisten?
Allein zwei Mitarbeiter schulen zu lassen und einen Arbeitsplatz für E-Fahrzeuge einzurichten, kostet derzeit gut 100.000 Euro. Wir haben das gerade gemacht. Als größere, einem Verbund angeschlossene freie Werkstatt kann man die Umstellung schaffen, und die Vertragswerkstätten ja sowieso. Aber die freien Ein- oder Zwei-Mann-Betriebe mit kleinen Werkstätten werden das nicht hinbekommen. Sie werden sich eher auf die verbliebenen herkömmlichen Fahrzeuge und vielleicht auf Young- und Oldtimer konzentrieren, bei Generationswechsel vielleicht auch schließen.
Der Fachkräftemangel ist allgegenwärtig und hat laut ifo-Institut im Juli einen neuen Höchststand erreicht. Fast jedes zweite Unternehmen leidet demnach darunter. Wie sieht es in Ihrer Branche aus?
Ja, den Werkstätten fehlt alles, Fachkräfte, Auszubildende und auch Hilfskräfte. Das KFZ-Handwerk ist eigentlich einer der begehrtesten Handwerksbereiche, aber der demographische Wandel ist auch hier immer deutlicher spürbar. Es kommen nicht genug junge Kräfte nach. Im Ausbildungsbereich spielen außerdem die Corona-Folgen gegen uns. Durch das Home-Schooling haben die Schüler viel versäumt und die Absolventen oft noch keine ausreichende Basis für die Ausbildung. Deshalb ist seitens der Ausbildungsbetriebe mehr Kompromissbereitschaft und Zuwendung nötig, denn wir brauchen den Nachwuchs ja dringend.
Wie sehen Sie die Zukunft der Betriebe?
Die Lage wird sicherlich nicht leichter. Wir müssen gucken, wie wir das Beste daraus machen. Ich denke, die Spezialisierung der KFZ-Betriebe, aber auch der Fachkräfte wird zunehmen.
Danke für den umfassenden Einblick, Herr Libansky.